Der Landsberger Poesieautomat, 1974 von Hans Magnus Enzensberger entworfen und im Jahr 2000 realisiert, hängt als Leihgabe der Sammlung Würth Künzelsau seit 2006 im Literaturmuseum der Moderne: ein laut ratternder Solist, den man mit einem Knopfdruck in Gang setzen kann und der vor allem eines will – uns zur Lust am Text verführen.
Zur Lust am Text gehört die Einsicht, dass Literatur etwas ist, was als ästhetische Erfahrung weder autorisiert noch archiviert werden kann. Literatur ist kein Vergangenheits- und Wirklichkeitsraum, den wir besitzen können, sondern ein Möglichkeitsraum, in den wir uns hineinträumen: Was steckt in einer begrenzten Anzahl von Buchstaben und Zeichen?
Der Textbaukasten ist dabei erkennbar immer derselbe: eine endliche Menge von sprachlichen Elementen (Lexikon), Verfahrensregeln (Grammatik) und – im Fall der Poesie – von überschaubaren Formaten (rhythmische oder optische Einheiten wie der Vers, die Strophe, der Umfang auf dem weißen Blatt). Dennoch können aus diesem recht einfachen Baukasten unendlich viele richtige Gedichte produziert werden.
Ein Beweis für unsere unerschöpfliche individuelle Phantasie, aber eben auch für deren maschinelle Imitierbarkeit. Was uns Menschen von der Maschine unterscheidet, ist unser Fähigkeit, zu zweifeln und nachzudenken. Durch Satzzeichen imitiert der Poesieautomat selbst noch diesen Unterschied: Mit Punkt, Komma, Doppelpunkt, Gänsefüsschen, Klammer und Ausrufezeichen können wir unterscheiden, in Beziehung setzen, öffnen, abschließen, betonen, zitieren, trennen, einschränken, relativieren.
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